UNSERE KIRCHENGEMEINDEN

Burkhardsfelden

Richtungweisend

Aus vier Richtungen kann man nach Burkhardsfelden kommen: von Albach her, von Hattenrod, von Oppenrod und von Reiskirchen. Gleich aber, woher man kommt -schon von weitem ist die Evangelische Kirche mit ihrem auffällig schmalen Kirchturm zu sehen:

"Kommst du von Ost und West, von Süd oder Nord, schon von ferne grüßt der traute Ort. Die Kirche sieht tief in das Land hinein, als wollte sie dessen Hüter sein. Die Glocken erklingen über Täler und Höh'n und grüßen den Menschen beim Tagesgescheh'n mit ihrem Klang, dem reinen und hellen: das ist mein Burkhardsfelden."

So dichtete einst Philipp Brück sein Burkhardsfelder Lied, und Christian Arnold hat in der Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum des Männergesangvereins über den Kirchturm geschrieben: Ihr hochragender Turm weist wie ein ausgestreckter Zeigefinger mahnend zum Himmel." Die Kirche ist nicht um ihrer selbst willen da. Sie soll und sie will nicht besucht sein, weil sie besonders alt oder schön ist, weil sie besonders traditionsverbunden oder zeitgemäß ist. Sicher, das alles trifft auf die Burkhardsfelder Kirche zu und macht einen Besuch lohnenswert: sie ist 1238 erstmals urkundlich erwähnt, dürfte aber einige Jahre älter sein, seit etwa 1545 ist Burkhardsfelden evangelisch, das Taufbecken ist romanisch, an die Kirche wurde angebaut, 1886, als die Orgel kam, wurde sie um eine zweite Empore erhöht und mit der letzten Innenrenovierung ist sie erst recht zu einem echten Schmuckstück im Dorf geworden. Und dennoch, nicht deshalb soll sie in erster Linie besucht werden: der Turm, der zum Himmel zeigt, gibt eine andere Richtung vor, beschreibt richtungweisend den Auftrag der Kirche und derer, die in der Kirche arbeiten: Darum soll unsere Kirche, darum sollen überhaupt Kirchen besucht werden, weil hier vom Himmel, vom Himmelreich, die Rede ist. Denen, die auf der Erde leben, soll ein Blick in den Himmel gewährt werden. Nicht, um sie dorthin zu vertrösten -schließlich steht der Turm fest auf der Erde-, sondern, um von diesem Himmel etwas auf die Erde zu holen, damit hier das Leben gut und heil werden kann. Der Auftrag der Kirche ist der selbe, den einst Johannes der Täufer auch hatte: auf den Himmel, auf das Himmelreich hinweisen, das nahe herbeigekommen ist. Dabei hat Johannes in Richtung Jesus Christus gewiesen; in ihm ist der Himmel auf die Er de gekommen, damit wir Menschen "das Leben und volle Genüge haben sollen". Wir müssen nicht mehr länger nur vom Himmel träumen, wir können hier schon etwas vom Himmel erleben. Der Turm, der zum Himmel zeigt, ist mit der Erde fest verbunden: Wir leben auf der Erde durch die Kraft, die vom Himmel kommt. Diese frohe Botschaft gilt den Menschen: von klein auf, wenn wir sie taufen oder zum Kindergottesdienst einladen, wenn wir junge Paare trauen oder Trauernde trösten. Die frohe Botschaft gehört in Burkhardsfelden schon lange auch in den evangelischen Kindergarten; er ist einer der ältesten Kindergärten in Hessen. 1875 wurde er von einer Frau Zimmer aus Winnerod gestiftet. Geführt wurde er von Anfang an von Diakonissen, deren Mutterhaus in Nonnenweiher war, von den Schwestern Elisabeth Alt und Elisabeth Stotz. "Damit Kinder sich im Leben zurechtfinden", so mögen sie vielleicht gedacht haben, "brauchen sie von Anfang an 'Richtungweisendes'. Der Glaube gehört dazu. Der Kindergarten ist ein Ort, an dem Fundamente gelegt werden können. In einer angenehmen, warmen Atmosphäre in den Räumen und bei einem schönen Außengelände erleben die Kinder beim Spielen gutes Leben. Wenn das durch Streiten zerbricht, lernen sie, es durch Vertragen heil zu machen. Neben Märchen, Kinderreimen und Kinderliedern gehören zu unserem Kindergartenalltag ganz selbstverständlich auch biblische Geschichten, christliche Lieder, Gebete. Für die Kinder ist der christliche Glaube ganz natürlich in ihr Leben eingebunden. Wenn sie als Jugendliche zum Konfirmandenunterricht kommen, schöpfen sie nicht selten aus dem, was sie im Kindergarten kennen gelernt haben. In der evangelischen Kindergartenarbeit manifestiert sich zugleich ein sozialer Auftrag, der auch zur Kirche gehört. Der Kindergarten war und ist auch darum ein Segen für den Ort, weil früher die Bauersfrauen ihre Kinder während der Feldarbeit ebenso geborgen wussten wie die Arbeiterinnen, die in die Zigarrenfabrik im Ort gingen. Fast ebenso lang wie die Tradition des Kindergartens ist die Tradition des Kirchenchores. Er wurde 1886 gegründet und sang er zum ersten Mal im Gottesdienst anlässlich der abgeschlossenen Innenrenovierung und der Einweihung der Orgel im selben Jahr. Das erste eingeübte und vorgetragene Lied war der 100. Psalm "Jauchzet dem Herrn alle Welt". Auch dieses Lied hat Richtungweisendes für Chor und Gemeindeleben: Dem Herrn jauchzen ist eine Aufgabe des Kirchenchores, die durch den Gesang ebenso geschieht wie das "alle Welt" gewinnen. Alle Lieder, die im Gottesdienst und auch bei anderen Anlässen gesungen werden, sind Verkündigung. Neben dem gesprochenen Wort sind es Melodien, die in besonderer Weise Menschen ansprechen und ihnen einen Blick in den Himmel eröffnen. Nicht alle Traditionen lassen sich halten. Das "Meilbachfest" ein Missionsfest am Himmelfahrtstag in der "Meilbach" im Licher Wald droht nach über 100-jähriger Geschichte abzubrechen. Einst von allen Nachbarkirchengemeinden mitgetragen, war es in den letzten Jahren ein Gottesdienst, in dem die Burkhardsfelder nahezu unter sich blieben. Der Blick auf den Kirchturm, der mahnend zum Himmel zeigt, lässt darüber nachdenken, welche anderen Wege gegangen werden können, um Menschen, vor allem auch jungen Menschen, einen Weg zum Glauben zu zeigen.

Die Kirchengemeinde Burkhardsfelden sucht die Zusammenarbeit mit den örtlichen Vereinen. Zum Missionsfest an Christi Himmelfahrt hattr es zunächst der Formel-1-Fan-Club übernommen, für die Bewirtung der Gäste zu sorgen. Mittlerweile hat sich dieser Aufgabe die Burschen- und Mädchenschaft Burkhardsfelden angenommen. Jetzt kommen wieder mehr Menschen, sie entdecken den Gottesdienst neu und verweilen länger. Gespräche ergeben sich.

Eine besondere Atmosphäre ist auch in dem Gottesdienst zu spüren, der am Kirmessonntag im Zelt gefeiert wird. Hier war die Anregung von der Burschen- und Mädchenschaft Burkhardsfelden ausgegangen: sie hatten die Kirchengemeinde eingeladen, den Gottesdienst aus der Kirche zum Zelt zu tragen.

Immer am 2. Advent gestaltet der Männergesangverein zu einem großen Teil mit seinen Liedern den Gottesdienst. Anschließend lädt er vor die Kirche zum Backhaus ein: dort werden heiße Getränke und Stollen angeboten. Eine schöne Angebot, dass dazu hilft, nach dem Gottesdienst nicht gleich auseinander zu gehen.

Das wird für die Zukunft der Kirche richtungweisend sein: inwieweit sie auf Menschen zugeht. Sie wird sich dabei nicht Modetrends und Zeiterscheinungen anpassen dürfen, aber die Lebenswelt der Menschen wahrnehmen und in diese Lebenswelt hinein den Himmel tragen. Das wird ihre Aufgabe bleiben. Nicht nur in unserem Burkhardsfelden.


Lindenstruth

Ist die Zukunft weiblich?

"Herr, schütte über dieses Haus die Fülle deines Segens aus, lass' deine Sonne scheinen. Gib, dass an deinem Freudenlicht es keinem hier im Haus gebricht, den Großen wie den Kleinen."

Mit diesem Gedicht wurde der Grundstein für den neuen Gemeindehausanbau in Lindenstruth gelegt. Das war im Jahr 1991. Ein wichtiges Datum in der langen und bewegten Geschichte der Kirche in Lindenstruth.

Aus Anlass der 750-Jahr-Feier des Dorfes trug Donald Wallner 1984 Erkenntnisse aus der Geschichte zusammen, die der Kirchenvorsteher Gerhard Neubert 1991 in einer Schrift veröffentlichte. Daraus erfahren wir, dass die Kirche das älteste noch erhaltene Gebäude des Ortes ist. An ihrer Längswand ist neben dem alten gotischen Gewände ein Stein mit einer Inschrift eingemauert, vermutlich der Grundstein. Seiner Inschrift zufolge ist die Kirche im Jahr 1370 erbaut worden. Sie sieht allerdings heute längst nicht mehr aus wie zur Zeit ihrer Entstehung.

"Die Kirche gleicht einer ruinosen Scheuer" klagte im Jahr 1738 der damals zuständige Pfarrer vom Wirberg über die Kirche in Lindenstruth. Er hielt deshalb eine Renovierung für dringend angebracht und setzte sie endlich auch bei den damaligen Patronatsherren durch. Damals, im Jahr 1741, bekam die mittelalterliche Kirche ein barockes Gesicht. Seitdem hat sich die Kirche oft und sehr verändert, und das nicht nur äußerlich. Wie eine Ruine sieht sie schon lange nicht mehr aus, und die derzeitige Pfarrerin muss im Gegensatz zu ihrem Vorgänger aus dem 18. Jahrhundert keine Angst haben, dass es ihr in die Predigt hineinregnen könnte. Auch sonst hat sich baulich einiges geändert. In den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts musste die Kirche erneut gründlich renoviert werden. "Mit Blatt- und Blütenranken köstlich bemalt", so beschreibt der Wissenschaftler Heinrich Walbe im Jahr 1938 das Innere der Kirche, das bei der Umgestaltung leider nicht erhalten wurde. Seitdem sieht die Kirche innen hell und modern aus, der Schmuck und die Bilder stammen aus diesem Jahrhundert. Auch eine Orgel, 1978 eingeweiht, gehört erstmals seit ihrem 630-jährigen Bestehen zur Einrichtung. Die Orgelempore wurde von dem Kirchenvorsteher Heinrich Müller entworfen.

Schon bald nach dem zweiten Weltkrieg stellte sich heraus, dass eine Kirche allein den Anforderungen des Gemeindelebens nicht mehr genügen würde. Die Frauenhilfe wünschte sich schon lange einen eigenen Versammlungsraum. Das hing vielleicht mit den Erfahrungen während der Zeit der Hitlerdiktatur zusammen: Vorher konnten sich die Frauen an ihren Abenden im Schulhaus versammeln, aber dem hitlertreuen Lehrer war das ein Dorn im Auge. So kam es, dass sich die Frauen während dieser Zeit reihum in den Häusern trafen. Auch der Kirchenvorstand tagte in den Häusern der Kirchenvorsteher, und der Pfarrer zog sich vor dem Gottesdienst im Haus der Küsterin um. So wurde 1959/60 ein Gemeindehaus an die Kirche angebaut.

Bei dieser Gelegenheit traten zum ersten Mal seit Bestehen der Kirchengemeinde auch die Frauen in den Urkunden in Erscheinung, obwohl sie schon lange vorher in der Kirchengemeinde mitgearbeitet hatten: Die Frauenhilfe gibt es seit 1922, die erste Küsterin, Frau Menz, begann 1947 mit ihrer Arbeit. In den letzten 50 Jahren haben Frauen nach über 600 Jahren Männer-Kirchengeschichte unübersehbar Einzug in die Kirche gehalten. Seit vielen Jahren sorgen die Küsterinnen für einen abwechslungsreichen Blumenschmuck in und um die Kirche, nach Johanna Müller und Marie Kühn ist das zur Zeit Heike Ertl. Die erste Pfarrerin, Ulrike Fritz-Lauer, hatte Lindenstruth bereits in den siebziger Jahren.

Akzente, die schon Kinder und Jugendliche im Kindergottesdienst und den Kinderchören auf die Kirche neugierig machen, wurden in den letzten Jahren verstärkt gesetzt. Dazu gehören auch Familiengottesdienste, an denen die Kinder und Jugendlichen beteiligt sind. Der neu gegründete Gospelchor Bersrod/Lindenstruth wird ebenso wie der Kinder- und Jugendchor von der Organistin Nicole Langwald hervorragend geleitet und ist inzwischen schon im Gottesdienst, beim Adventssingen und in einem Konzert aufgetreten.

Der von Pfarrerin Volkhardt-Sandori initiierte "Lebendige Adventskalender" bezieht Familien, Gruppen und Vereine in ein gemeinsames Projekt ein: An den Nachmittagen im Advent finden die Kinder jeweils ein Haus, in dem eine Überraschung für sie vorbereitet ist. Neu ist in Lindenstruth auch das alljährliche Weihnachtsspiel des Kindergottesdienstes am Heilgen Abend, zuletzt mit einem selbst geschriebenen Stück nach dem Buch "Hilfe, die Herdmanns kommen" von Barbara Robinson.

Ist die Zukunft der Kirchengemeinde weiblich? Bei aller Freude über die engagierten und begabten Frauen (auch dem derzeitigen Kirchenvorstand gehören "nur" Frauen an) möchten wir das nicht hoffen, im Gegenteil: Wir wünschen uns eine Erweiterung des männlichen Potentials und freuen uns über Männer, die mitwirken. Unser Ziel ist ein ausgewogenes Personenverhältnis, bei dem sich Frauen und Männer engagieren, denn wir finden, dass unsere Kirche weder eine Bastion der Männer noch reine "Frauensache" sein soll. Die Segensfülle, von der das Gedicht in unserem Grundstein spricht, soll ihren Ausdruck finden in vielen verschiedenen Begabungen, die unter dem Dach unserer Kirchengemeinde zu Hause sind.

Verfasserinnen: Waltraud Albach, Kirchenvorsteherin und Ingrid Volkhardt-Sandori, Pfarrerin

Inselstraße 543, 14129 Berlin
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